Im Tal der Biebrza
Im Tal der Biebrza
Der Fluss Biebrza wird auch als polnischer „Amazonas” bezeichnet oder als einer der letzten wilden Flüsse Europas. Ungezähmt und unberechenbar prägt er seit Jahrtausenden Landschaft, Klima und Natur entlang seiner 165 Kilometer langen Strecke. Seine Quellen entspringen in der Wildnis bei Nowy Dwór und münden in der Nähe des Dorfes Ruś in den Narew. Fast seine gesamte Länge von 165 km liegt im geschützten Biebrza-Nationalpark. Nur ein Fragment des Oberlaufs in der Nähe der Quellen ist nicht geschützt. Es ist schwierig, zwischen den Sümpfen und Büschen die genaue Stelle zu finden, an dem er entspringt. Die erste Brücke über den Fluss gibt es vor Nowy Dwór, dort aber ähnelt der schmale Strom eher einem Bach als einem weitläufigen Fluss. Sein Verlauf ist in drei Abschnitte unterteilt: das nördliche Becken, das mittlere Becken und das untere Becken (auch südliches Becken genannt). Von seinen Quellen bis in die Umgebung von Sztabin im nördlichen Becken bleibt der Fluss Biebrza zwischen Dickichten, Sümpfen, Erlenwäldern und Feuchtgebieten verborgen. Lediglich in seinem Mittellauf, zwischen Sztabin und der Festung Osowiec ist sein Bett deutlich sichtbar. Auf der letzten Etappe im Unterlauf schlängelt er sich bis zur Mündung in den Fluss Narew.
Im nördlichen Teil ist es am einfachsten den Fluss von den Brücken aus zu beobachten, auch in Nowy Dwór, Lipsk und Kamienna Nowa. Einer der wenigen Orte, an denen man ihn erreichen kann, liegt rund um das Dorf Szuszalewo. Über die Sümpfe wurde ein Holzsteg errichtet, der zur einzigen Fähre am Fluss Biebrza führt. Um auf die andere Seite des Flusses zu gelangen, muss man mit der Kraft der eigenen Hände die Fähre mit einem Seil von einer Seite auf die andere ziehen. Wenn der Fluss Biebrza Sztabin passiert, ist sein Ufer leichter zugänglich. Entlang des Ufers gibt es sogar Stellen zum Anlegen von Paddelbooten und den berühmten Flößen, mit denen man gemütlich bis nach Goniądz fahren kann. Zu den interessanten Orten im Mittellauf des Flusses gehört das an den Fluss angrenzende Dorf Jagłowo. Die Gebäude liegen auf einem kleinen Sandhügel, sodass sie bei den Frühjahrsüberschwemmungen vom Wasser nicht erreicht werden. Betont werden muss, dass das Biebrza-Tal bei Nachlassen von Schnee und Frost in vielen Abschnitten einem riesigen See ähnelt. Felder, Wiesen und manchmal sogar Ortsstraßen verschwinden für mehrere Wochen unter dem Hochwasser. Ein weiterer bemerkenswerter Ort neben Jagłowo ist das Dorf Dębowo, wo sich die erste Schleuse des Augustów-Kanals befindet (von der Biebrza-Seite aus gesehen). Dadurch wird der Höhenunterschied von 2,07 m ausgeglichen, was etwa 20 Minuten dauert. Die Schleuse ist fast 44 m lang und 6,1 m breit. Sie wurde von 1826 bis 1827 erbaut. Weiter entlang des Flusses Biebrza erreicht man Jasionowo Dębowskie, ein kleines Bauerndorf. Zwischen ihm und Dolistowo Stare verläuft eine Schotterstraße direkt am Fluss entlang. Bei Frühjahrshochwasser ist sie oft unpassierbar. Vor Dolistowo Stare befindet sich eine Holzbrücke, ein oft von Touristen besuchter Ort, und auch bevorzugter Ort vieler Filmproduktionen als Hintergrund für Szenen aus vergangenen Epochen. Der Fluss fließt durch Feuchtgebiete, aber die Straßen und Dörfer in diesem Abschnitt liegen am Hochufer. Von dort aus kann man die Feuchtgebiete sehen, die sich bis zum Horizont erstrecken. Der Fluss existiert in zwei Welten – am Schnittpunkt der Zivilisation und dort, wo nur die Natur herrscht. Wenn man auf das gegenüberliegende Ufer blickt, sieht man nichts als einen breiten Streifen Feuchtgebiete und Wälder. Nur ein 3 km langer Wegabschnitt führt von dieser Seite des Flusses in eine wunderbare Naturwildnis. Er beginnt in der Siedlung Kopytkowo am Rande der Sümpfe und ist nur in der Trockenzeit passierbar. Er führt zum von Sanddünen umgebenen Nowy Świat Uroczysko [Heiligort]. Dieser Ort wird „Polnisches Sibirien“ genannt, weil im 19. Jahrhundert die ersten Siedler gewaltsam in diesen Sümpfen angesiedelt wurden. Diese Siedlung verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Niederbrennen des Dorfes und die Ermordung der Bevölkerung. Auf diese Weise wollten die Nazis die Partisanen in den Wäldern schwächen.
In diesen Gebieten überlebten nach 1945 die letzten Elche in Polen. Versteckt in der Wildnis des Roten Sumpfes entgingen sie auf wundersame Weise der Ausrottung, was den Wiederaufbau ihrer Population ermöglichte.
In diese Ecke des Biebrza-Nationalparks gelangt man über den oben genannten Weg von Kopytkowo aus oder von der anderen Seite aus mit dem Auto zur Siedlung Grzędy. In diesen Wildnisgebieten sind Wanderwege und Naturpfade markiert. Einige Teilstrecken können auch mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, was aufgrund der relativ langen Distanzen eine tolle Lösung ist.
Wenn man auf die andere Seite des Flusses Biebrza zurückkehrt, lohnt sich auf jeden Fall ein Halt in Goniądz. Rund um den Marktplatz herrscht ein spezifisches, typisch kleinstädtisches architektonisches Durcheinander. Ein weiterer Ort am Fluss Biebrza ist die Festung Osowiec-Twierdza mit ihren Befestigungsanlagen, die zur Verteidigung der Grenzen des ehemaligen Russischen Reiches errichtet wurden. Derzeit ist es nicht mehr möglich, das Innere von Fort I zu besichtigen, da dort eine aktive Militäreinheit stationiert ist. Touristen können von außen nur noch die Überreste des Zarzeczny-Kastells und die Ruinen des gesprengten Kastells IV besichtigen. In Osowiec-Twierdza ist die Naturausstellung, die sich im Gebäude der Parkverwaltung befindet, einen Besuch wert. Dort befinden sich außerdem eine Touristeninformation und die Kasse (der Eintritt in den Park ist gebührenpflichtig). Besonders im Frühling sollte man sich informieren, wenn viele Wege oder Orte aufgrund von Überschwemmungen möglicherweise nicht zugänglich sind.
Von Osowiec-Twierdza gibt es zwei Streckenvarianten. Eine Strecke führt über die Zaren-Straße, eine um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erbaute Straße, die teilweise entlang eines von Sümpfen umgebenen Damms verläuft. Entlang seines Verlaufs kann man mehrere Stopps einlegen und einen Spaziergang zu den erwähnten Ruinen von Fort IV machen oder den Weg in der Nähe von Barwik oder Gugny nehmen. Schöne Momente inmitten der Natur kann man bei einem Spaziergang entlang des Honczarowska-Damms genießen, der den Wanderer über 3 km in die Sumpflandschaft führt. Direkt neben der Straße gibt es einen Aussichtsturm, von dem aus man den größten Sumpf im Biebrza-Tal Bagno Ławki bewundern kann. Eine 400 Meter lange Fußgängerbrücke führt ins SumpfgebietDługa Łuka. Die zweite Variante der Straße führt am gegenüberliegenden Ufer entlang, das einen ganz anderen, landwirtschaftlich geprägten Charakter hat. Den Fluss erreicht man über einen Naturpfad vom Dorf Mścichy aus. An seinem Ende gibt es einen Aussichtsturm und einen saisonalen Campingplatz (die Gebühr kann an der Kasse des Nationalparks Biebrza entrichtet werden). Vom Dorf Pluty aus kann man die Biebrza vom Autofenster aus sehen. Es lohnt sich auch, nach Brzostowo zu fahren oder am Aussichtsturm in Burzyn anzuhalten. Wenn man die Mündung des Flusses Biebrza in den Fluss Narew finden möchte, muss man bis zum Dorf Ruś fahren und dem Flussbett in Richtung Wierciszewo folgen. Am Ende des Dorfes betritt man eine Wiese sofern der Wasserstand dies zulässt und es keine Überschwemmung gibt. Von dort aus geht es in Richtung des Flusses Narew bis zu der Stelle, wo das Wasser der Biebrza in den Fluss mündet.
Dieser Ort ist weder spektakulär noch landschaftlich reizvoll, aber dennoch ist es ein interessantes Abenteuer.
Man kann das Biebrza-Tal zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto durchqueren. Die Zugangsgrenzen werden nicht nur vom Nationalpark, sondern auch von der Natur selbst festgelegt. Die Biebrza ist auch ein beliebter Fluss für Paddler, die normalerweise Sztabin als Ausgangspunkt wählen. Ziele sind Goniądz oder Wizna am Fluss Narew. Es lohnt sich zu jeder Jahreszeit, diese Ecke Polens zu besuchen. Am interessantesten sieht es im zeitigen Frühjahr aus, wenn das Biebrza-Tal von Überschwemmungen dominiert wird, die sich nie gleichen. Dann kann man Tausende von Zuggänsen am Himmel sehen und aus den Feuchtgebieten sind die Geräusche der Vögel zu hören, die hier Nester bauen. Auf der Zarenstraße kann man oft Elche beobachten, daher ist dort äußerste Vorsicht geboten. Wenn man im Sommer nach Biebrza reist, muss man Vorkehrungen gegen Mücken und Zecken treffen. Entlang des Flusses Biebrza, von Dolistowo Stare bis zur Mündung, findet man viele Möglichkeiten für Agrotourismus, Campingplätze und Pensionen.
Nützliche Adressen:
Übernachtungen
Zagroda Kuwasy
Woźnawieś 30A
www.zagrodakuwasy.pl
Paddelboot- und Floßverleih
Dolina Biebrzy
Wroceń 44
www.dolinabiebrzy.pl